Und wir wollten doch nur einen Glühwein trinken…
Donnerstag waren wir im Pulp (Discothek in Duisburg). Da ich Freitag arbeiten musste, sind wir um 2 Uhr wieder gefahren, meine beiden Mitfahrer U und H waren etwas angetrunken. Ich selbst hatte zwar einige Bier getrunken, war aber noch sehr nüchtern. Auf dem Rückweg, so gegen halb 3, überredeten mich U und H dazu, beim Dönermann unter dem Essener Hauptbahnhof noch etwas zu essen. Gesagt, getan, lag ja eh fast auf dem Weg.
Nachdem wir bestellt hatten nahmen wir Platz. Begeistert bemerkte ich, dass unter den Stehtischen, an denen Barhocker standen, Kleiderhaken waren und hing meine Jacke auf. U hing wohl ihre Tasche an so einem Haken auf…
Nach dem Essen brachten wir H nach Hause. Um 4 Uhr waren U und ich dann bei mir zu Hause in Dortmund. Ihre bis dato sehr gute Laune verfinsterte sich, als sie das Fehlen ihrer Tasche bemerkte. Nach einiger Zeit haben wir dann trotzdem geschlafen. Da wir schon recht spät dran waren, hatte ich mir vorsichtshalber drei Wecker gestellt, da ich zum Verschlafen neige.
Nachdem ich von der Arbeit an der FH wieder zu Hause war, wachte auch U langsam auf. Ein Anruf bei H ergab, dass er die Tasche nicht hatte, also musste sie beim Türken vergessen worden sein. Also, nach einigen Stunden langsamen Aufwachens und Kreislauf-Anregens, ab in die S-Bahn nach Essen. Ganz schön kalt im November, vor allem auf dem Bahnsteig im S-Bahn-Tunnel. Wenn man lange auf die 15 Minuten verspätete Bahn warten muss. Ich lasse hier mal die Details weg, aber wir sind doch tatsächlich irgendwann in Essen angekommen.
Der Türke hatte die Tasche gefunden und offensichtlich auf dem Ofen aufbewahrt, denn sie war voll weißen Staubes (Mehl?) und sehr warm. U’s Laune war gerettet, wir machten uns auf den Weg nach Dortmund, diesmal mit dem Rhein-Ruhr-Express. Angenehmer, schneller. Eigentlich. Zwischendurch Ansagen des Lokführers wie „Wir halten jetzt in Wattenscheid. Da werden wir auch ne Weile stehen, weil uns ein IC überholen möchte und irgend jemand der Meinung ist, die Verspätung des ICs sei wichtiger als unsere“. Man hatte das Gefühl, seine Laune führe zu Galgenhumor. Kurz vor Dortmund dann die Durchsage „wir stehen vor ner roten Ampel. Ich habe keine Ahnung wieso, ich werde ja nicht informiert“, witzigerweise ging es nur zwei Sekunden nach der Durchsage weiter. Man hatte das Gefühl, der Zugführer habe die Schnauze voll gehabt und sei einfach über Rot gefahren…
Vom Dortmunder Hauptbahnhof ging es auf den Weihnachtsmarkt, wo eine Freundin (S) arbeitete. Sie hatte einige Sachen für mich dabei, die ich abholen wollte. Dafür hatte ich extra einen Rucksack mitgenommen. Also Sachen abgeholt, in den Rucksack gesteckt. Da fiel mir ein, dass A, ein guter Freund von mir, vor einigen Tagen gefragt hatte, ob ich Freitag Zeit hätte. Seine Mitbewohnerin sollte Besuch bekommen, dem er entfliehen wollte. Also habe ich A angerufen und ein Treffen an der Reinoldikirche vereinbart. Ich besprach mit U, dass ich eine Runde Glühwein ausgeben wolle, danach wollten wir zu mir fahren. Wir waren beide leicht verkatert, hatten noch nichts gegessen, ich hatte wenig geschlafen. Wir wollten einen gemütlichen Couch-DVD-Abend machen.
A hatte am Telefon schon angedeutet, er habe Lust auf einen Cocktail. Als wir uns mit A getroffen hatten, überredete er U zum Cocktail-Trinken, indem er ihr einen ausgab. Also ab ins Atlantico, das natürlich voll war, sodass wir an der Theke auf einen Tisch warten mussten. Dort schonmal einen Planters Punch und ein Bier trinken. Dann an den Tisch, Rucksack unter die Bank. U erinnerte mich daran, den Rucksack später nicht zu vergessen. Nicht, dass wir schon wieder eine Tasche irgendwo liegen lassen.
73 Euro und zahlreiche Biere und Long Island Ice Teas später gingen wir völlig betrunken in die Stadt. Das Atlantico ist kein Laden für mich, wir wurden da auch ziemlich angestarrt. Zwischendurch hatte ich mal so etwas gesagt wie „also, wenn ich mal Amok laufe, dann hier“. Da war es etwa 0:30 Uhr.
Per Handy versucht, einen Kollegen anzurufen, der in einer Kneipe arbeitet. Ging aber nicht dran. Also gingen wir in die Hirsch-Q (Ex-Platzhirsch). Wir versuchten zu Kickern, leider war ich viel zu betrunken. Einige Stunden, Jägermeister und Biere später bemerkte ich das Fehlen meines Rucksackes…
A war schon nach Hause gegangen, nachdem er sich die Sache mit dem Alkohol noch einmal durch den Kopf hatte gehen lassen. Zu U sagte ich, ich ginge mal eben zum Atlantico und hole meinen Rucksack. Sie lachte etwas, da ich meinen Rucksack tatsächlich irgendwo hatte liegen lassen. Sie hatte keinen Schlüssel und kaum Geld bei, ich versprach ihr also, bald wieder zurück zu sein.
Naja, irgendwie habe ich mich verlaufen. Ich kam an eine Stelle, die mir bekannt vorkam, also bog ich ab. Ich ging, völlig betrunken, immer weiter. Irgendwann lief ich auf einer Autobahn. Dabei ist die nächste Autobahn von der Dortmunder Innenstadt so einige Kilometer entfernt. Ich ging einfach immer weiter. Ich machte mir Sorgen um U. Ich rief sie auf ihr Handy an, obwohl ich wusste, dass dies bei mir zu Hause lag. Ich kam auf die Idee, S anzurufen und zu bitten, mich abzuholen. Aus zwei Gründen habe ich es nicht getan: erstens hatte sie einen neuen Freund und war bei ihm, und es war mitten in der Nacht, zweitens hatte ich nicht den blassesten Schimmer, wo ich war, obwohl ich mich in Dortmund gut auskenne. Ich lief weiter und weiter. Langsam wurde mir kalt. Ich lief verdammt vereinsamte, lange Strassen entlang. Ich kann mich nicht erinnern, warum genau ich das weiß, aber irgendwann war ich in Scharnhorst. Ich glaube, ich habe irgendein Schild gesehen. Scharnhorst ist wirklich weit weg von der Dortmunder Innenstadt. Was U wohl gerade machte? Ich lief weiter. Irgendwann kam ich an eine Bahnhaltestelle. Dortmund-Kirchderne. Kurz vor Lünen. Ich möchte noch einmal betonen, dass Dortmund Deutschlands flächenmäßig sechstgrößte Stadt ist. Ich versuchte, den Abfahrtplan zu lesen, hatte aber einige Probleme dabei. Ich glaubte, es müsse bald eine Bahn kommen. Ehrlich gesagt habe ich nicht mal darauf geachtet, an welchem Bahnsteig ich hätte stehen müssen. Mittlerweile war ich völlig durchfroren. Irgendwann hatte ich das Gefühl, da käme doch keine Bahn. Da viel mir ein, Heureka!, dass ich ja jetzt weiß wo ich bin. Ich konnte also ein Taxi rufen. Nach einigen erfolglosen Versuchen mit falschen Telefonnummern hatte ich schließlich die Taxi-Zentrale am Apparat. Mit leicht gebrochenem Deutsch (ich konnte kaum noch sprechen, geschweige klar artikulierte, vollständige, sinnvolle Sätze) bestellte ich ein Taxi. Offenbar haben Taxi-Zentralen Erfahrung mit Betrunkenen, denn es kam tatsächlich recht schnell ein Taxi. Mir war so kalt, dass mir selbst im Taxi nicht warm wurde. Dem Taxifahrer zu sagen, wo ich hin wollte, war ein Ding der Unmöglichkeit. Er verstand aber wohl das Wort „Dorstfeld“ und brachte mich tatsächlich nach Hause. 18 Euro fand ich äußerst akzeptabel. U sass leider nicht vor meiner Haustür, aber ich war so müde und betrunken, dass ich trotzdem schlafen konnte. Schließlich war es schon hell und unwahrscheinlich, dass U noch in der Stadt war.
Ich wachte einige Male kurz auf, weil mein Telefon klingelte. Als es wieder mal klingelte, schaute ich auf das Display. Eine Lünener Nummer, das war sicher U. Ich ging dran, konnte kaum sprechen. Eine nicht gutgelaunte U fragte, ob sie nachher vorbeikommen könnte, ihre Klamotten holen. Ich ging auf Toilette, wollte mich wieder hinlegen. Aber im Bett ging es mir nicht gut, also stand ich auf. Mir fiel wieder ein, dass mein Rucksack noch im Atlantico sein musste.
Irgendwann kam U. Ich erzählte ihr meine Geschichte, daraufhin war sie nicht mehr ganz so böse, dass ich sie sitzen ließ. Sie erzählte mir, müde und auf der Couch in eine Decke gekuschelt, die ihre: sie wurde in der Hirsch-Q blöd angebaggert, wartete auf mich. Die Leute lachten sie aus und meinten, ich käme nicht zurück und ließe sie sitzen. Das tat mir etwas weh, denn ich hätte sie niemals sitzen gelassen, wenn ich mich nicht betrunken verlaufen hätte. Dann wollte sie, trotz Peinlichkeit, zu ihren Eltern nach Lünen fahren, da sie ja wie bereits erwähnt keinen Schlüssel bei sich hatte. Am Bahnhof angekommen wurde die Laune nicht besser, denn der nächste Zug kam erst in einer Dreiviertelstunde. Am Bahnsteig traf sie zwei 19-jährige Lünener, mit denen sie sich unterhielt. Sie boten ihr an, sie könne bei ihnen schlafen, was sie dankend annahm. Sie erzählte mir, dass sie froh ist, dass es noch nette junge Leute in Lünen gibt. An dieser Stelle noch einmal vielen Dank euch beiden! Meldet euch mal bei mir, wenn ihr euch hier wiedererkennt!
Witzig dabei: der Zug von Dortmund nach Lünen fährt über Kirchderne. Eine schöne Szene wäre gewesen, wie U, im Zug sitzend, mich am Kirchderner Bahnsteig gesehen hätte. Aber offensichtlich waren wir zu unterschiedlichen Zeiten dort.
Nach einem Kaffee und einer Dusche machten wir uns mit dem Auto auf den Weg zum Atlantico, was um 18 Uhr aufmachte. Leider war mein Rucksack nicht aufgetaucht. Gerade von so einem Laden hatte ich erwartet, dass dort nichts verschwindet und war dementsprechend geknickt. Ich ließ eine Visitenkarte da, man versprach mir, sich zu melden, falls man etwas erfahre. U meinte, ich solle nochmal in der Hirsch-Q fragen. Dort angekommen standen wir erst einmal eine Weile in der Kälte, da sie erst um 19 Uhr aufmachte.
Die drei Leute, die den Laden aufmachten und hereingingen, ignorierten völlig, dass wir ihnen in die Hirsch-Q folgten. Drinnen auf einem Sessel lag tatsächlich mein Rucksack! Ich rief den Kellnern zu, ich hätte gestern meinen Rucksack hier liegen lassen, habe ihn jetzt wieder und haue jetzt damit ab. Die Typen interessierte das nicht. Irgend jemand anderes hätte sich meinen Rucksack auch schnappen können, also gut, dass wir vor Öffnung da waren.
U und ich lachten uns schlapp. Donnerstag vergisst sie ihre Tasche in Essen. Freitag fahren wir nach Essen, holen sie wieder. Mit Tasche und Rucksack gehen wir Trinken, diesmal lasse ich meinen Rucksack liegen, und einen Tag später finden wir ihn wieder. Aber das witzigste dabei: ich torkelte deshalb die ganze Nacht quer durch Dortmund, weil ich von der Hirsch-Q zum Atlantico wollte, um meinen Rucksack zu holen, der die ganze Zeit in der Hirsch-Q nur einen Meter von mir entfernt lag.
Wir haben ja viel getrunken, aber keinen Glühwein.